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Skandinavistik studieren - und dann?


Ein netter Wilkommensgruß an die Studenten und

Studentinnen der Universität Freiburg


„Papa, ich werde Skandinavistik studieren“, erzähle ich voller Vorfreude und mit leuchtenden Augen. Als von ihm keine Reaktion kommt, irritiert mich das ein wenig. Neulich habe ich doch erst gelesen, dass die Tatsache, dass ihre Kinder studieren, bei Eltern das Gefühl unfassbaren Stolzes hervorruft. Meine Mutter, die schon etwas länger von meinen Plänen weiß und sich beinahe noch mehr über meinen Studienplatz gefreut hat als ich, ist gerade dabei, die Spülmaschine auszuräumen und steht deswegen mit dem Rücken zu meinem Vater und mir. Dass mein Vater auf die Neuigkeit nicht reagiert, scheint ihr überhaupt nicht zu passen, ebenso wenig wie mir. „Hast du nicht gehört?“ fragt sie und dreht sich mit hochgezogener Augenbraue zu meinem Vater um, „unsere Tochter wird ab dem kommenden Wintersemester studieren“. Mein Vater sagt nichts. Stattdessen richtet er sich kerzengerade sitzend auf. Weil wir uns am Tisch gegenübersitzen, lehnt er sich leicht nach vorne und nimmt meine Hände in seine. Ich bin mir sicher, dass er so emotional ergriffen und stolz ist, dass er gleich anfängt zu weinen, jedenfalls lässt seine Mimik das stark vermuten. Aber weit gefehlt: „Was willst du denn später damit anfangen, Kind? Und was soll das überhaupt sein, dieses `Skandinavik`?“.

„Es heißt: `Skandinavistik`“ korrigiere ich meinen Vater. „Und man kann ganz viel damit machen“. Mein Vater schnaubt verärgert. „Und was? Was willst du denn schon mit Skandinavic oder wie das Zeug auch immer heißen mag, anfangen? Elche jagen, eine zweite Astrid Lindgren werden oder als Kindermädchen oder Kammerzopfe an einen skandinavischen Königshof gehen vielleicht? Oder noch besser: Eine echte Wikingerbraut mit einem Haus an einem See, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und wo du dir die Fische zum Abendessen selbst angeln musst? “ In seiner Stimme erkenne ich

die Bitte, das Thema zu wechseln und meine Studienfachwahl zu überdenken, als meine Mutter ihm achselzuckend entgegnet: „Ja, na und? Wäre doch geil.“ Nach einem tiefen Seufzer seitens meines Vaters macht er mir Studiengangsvorschläge wie Medizin, Jura oder Lehramt, aber am liebsten wäre ihm, ich würde im öffentlichen Dienst arbeiten, wie er. Aber nix da - ich bin hartnäckig geblieben. Ich wollte nichts anderes studieren außer Skandinavistik und mittlerweile bin ich schon im 4. Semester.

Das bedeutet, nicht mehr lange und ich habe meinen Bachelor! 😊 Wenn ich das erreicht habe, habe ich eines meiner ganz großen Lebensziele erreicht. Zwar war mir der erfolgreiche Bachelorabschluss immer mit das Wichtigste, aber für das Studium entschieden habe ich mich aus einem ganz bestimmten Grund: Ich wollte Schwedisch lernen. Nicht nur so ein bisschen nebenbei, sondern fließend. Ich wollte alles wissen über Astrid Lindgren und Ingmar Bergman. Ich wollte wissen, mit wem Schweden kooperiert und verhandelt, wollte verstehen, was die Schweden anders machen als wir, um als eines der glücklichsten Länder der Welt zu gelten. Und ich wollte in schwedische Traditionen eintauchen, freiwillig Landeskunde büffeln, skandinavische Theaterstücke analysieren und

schwedische Filme so oft gesehen haben, dass mir Sätze wie „Ich seh dir in die Augen Kleines“ wie im Film „Casablanca“ mit Humphrey Bogart und der schönen Ingrid Bergman in der schwedischen Sprache in Fleisch und Blut übergehen. Meine Leidenschaft für Schweden ist entstanden, als ich mit 14 Jahren das erste Mal dort war. Schweden kam mir vor wie ein hochmodernes Land und trotzdem gab es mir ein gewisses, gutes Gefühl der Entschleunigung. Und dass, obwohl ich mich in Stockholm befand. Schon allein der Anblick der Menschen, die einem freundlich, aber nicht zu aufdringlich und vor allem nicht von oben herab begegneten, gefiel mir. Schweden und besonders Stockholm gaben mir das Gefühl, dass ich zum einen sein konnte, wer ich wollte, und auf der anderen Seite hatte ich

dort so ein starkes Gefühl von grenzenloser Freiheit, wie ich es bisher nirgendwo sonst erlebt habe. Als ich nach meiner ersten Schwedenreise wieder zurück nach Deutschland flog, kam in mir der Wunsch auf, ein Stück von Schweden mit nach Hause nach Deutschland zu nehmen, denn obwohl ich mich heiß und innig in das Land Schweden verliebt habe, kann ich mir bis heute nicht vorstellen, Deutschland vollständig den Rücken zu kehren. Dennoch habe ich mir in diesem Moment in den Kopf gesetzt, eine berufliche Richtung einzuschlagen, die Schweden und Deutschland verbindet. Also habe ich angefangen zu recherchieren und bin so auf den Studiengang der Skandinavistik gestoßen. Obwohl der Studiengang recht wenigen Menschen ein Begriff ist, bieten ihn doch mehr Universitäten in Deutschland an, als man zunächst annehmen würde: München, Erlangen, Münster, Berlin, Bonn, Köln oder Kiel (u.a.). Da ich niemanden bei der Suche nach dem

richtigen Studienort beeinflussen möchte, werde ich meinen Studienort hier nicht nennen, insgesamt vermittelt das Studium der Skandinavistik aber Wissen über Literatur und Kultur Islands, Dänemarks, Schwedens und Norwegens und bietet innerhalb des Studiums die Möglichkeit, sich auf eine dieser Sprachen zu fokussieren. An manchen Unis Deutschlands ist ein wichtiger Bestandteil des Studiums auch das Fach Altnordisch. Es befasst sich mit der Entstehung und Geschichte der nordischen Sprache, und durch das Übersetzen altnordischer Texte bekommt man einen Einblick in die Sprache der Wikinger und somit auch in das Isländische. Ebenso steht die Analyse einiger skandinavischer Werke an, wodurch einem Namen wie Henrik Ibsen, Karen Blixen, Königin Kristina oder Olof Rudbeck vertraute Begriffe werden. Aber auch berühmte Sagagestalten, die ihre Verarbeitung in Fernsehserien wie Vikings (u.a.) finden, kommen nicht zu kurz. So erfährt man, wie die Saga von Snorri Sturlusson aufgebaut ist und somit auch mehr über Odin,

Figg oder Baldr; auch die Saga des Drachentöters Sigurd kommt nicht zu kurz.

Zum Lehrplan an den Unis gehört aber natürlich vor allem die Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Und auch Landeskunde mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der vier Länder gehört dazu, wobei die Unis da durchaus unterschiedliche Akzente setzen.

Wer nun während des Lesens bemerkt, dass die von mir beschriebenen Inhalte ihn interessieren, jedoch gleichzeitig überlegt, was er mit dem Studienabschluss beruflich anfangen soll, den kann ich beruhigen. Auch ich hatte diese Gedanken und bin davon überzeugt, dass diese Gedanken und Ängste bei einem geisteswissenschaftlichen Studium zum einen nachvollziehbar und zum anderen berechtigt sind. Alle die den Beitrag lesen, dürfen mir glauben, dass niemand die Bedenken besser versteht als ich. Und ich gebe offen zu, dass ich, obwohl ich jetzt schon im 4. Semester bin, immer noch nicht so recht weiß, was ich später mit meinem Bachelorabschluss anfangen will, aber vielleicht ist gerade die Tatsache, dass man viele verschiedene Möglichkeiten im späteren Berufsleben hat, eine Motivation, Skandinavistik zu studieren. Wenn ich jetzt aber schon die vielen verschiedenen Berufsfelder anspreche, in die man einsteigen kann, dann will ich jetzt das zusammenfassen, was ich mir über viele verschiedene Homepages von Universitäten angelesen habe, die Skandinavistik anbieten: Zum einen kann man in Unternehmen Fuß fassen, die einen recht engen Bezug zu Skandinavien haben. Davon gibt es Hunderte. Das spannende ist, dass es uns oft vielleicht gar nicht so bewusst ist, was wiederum daran liegt, dass es sich dabei oftmals um Namen handelt, die man zuvor noch nie gehört hat. Auch die Arbeit in Botschaften, im Verlagswesen, bei Radio oder aber beim Fernsehen sind möglich, ebenso wie in der Erwachsenenbildung zu arbeiten. Wenn du bis hierher gelesen hast, dich keine meiner Schilderungen abgeschreckt haben und du dir vorstellen kannst, in einem der genannten oder einem ähnlichen Bereich zu arbeiten, kannst, bzw. solltest du darüber nachdenken, Skandinavistik zu studieren. Ich für meinen Teil sage, natürlich auf schwedisch, „Hej då!”, wünsche viel Erfolg bei der richtigen Studienwahl und möchte euch noch eine Ermutigung ganz klassisch nach Pippi Langstrumpf mitgeben, die so treffend formuliert hat: „ Das habe ich vorher noch nie gemacht, deswegen bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe“.


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