Ausgelöst durch vergangene Dürre-Perioden in den USA ist die Produktion von Bioethanol auf der Basis von Mais und Getreide in die Diskussion geraten.
Der Zielkonflikt zwischen Nahrungsmittel und Treibstoff gleicht einem klassischen Dilemma. Kein Wunder, dass die Suche nach nachwachsenden Rohstoffen seit Jahren auf Hochtouren läuft, die eine Alternative zu diesem tragischen Entweder-Oder bieten.
Algen, genauer: Mikroalgen können so ein dringend gesuchter Puzzlestein im Energiemix der Zukunft sein. Ihr Vorteil wiegt gleich doppelt, denn die Algen benötigen ausgerechnet den Klimakiller CO² zum Wachsen und können so klimaschädlichen industriellen CO²-Ausstoss in wertvolle Biomasse umwandeln. Weltweit wird intensiv an der Entwicklung von Bioenergie aus Mikroalgen geforscht. In Schweden wird dem Thema seit vielen Jahren ein hohes Maß an Aufmerksamkeit gewidmet.
In Österlen in Schonen z.B. baute die Firma Simris Alg im Jahre 2012 die erste große Mikroalgenplantage in Bioreaktoren aus Kunststoffröhren. Hier sollen die Algen zunächst Omega-3-Fettsäuren zur Lebens- und Futtermittelanreicherung produzieren. Doch die Vision sei, darüber hinaus auch ein „Ölunternehmen“ zu werden, sagt Gründerin und Geschäftsführerin Dr. Fredrika Gullfot.
Noch sei die reine Brennstoffproduktion allerdings nicht konkurrenzfähig. Um lohnend zu werden, müsse man auch hochwertige Beiprodukte nutzen, eben für Lebens- und Futtermittel. Man folge der technischen Entwicklung aufmerksam und bereite die Expansion vor, sagt Gullfot. Simris Alg startete damals mit einer Zuchtkapazität von 8.000 Litern, plante aber eine Ausweitung auf 100.000 Liter in nur zwei Jahren.
In der Lebensmittel- und Gesundheitsindustrie spielen Algen bereits eine bedeutende Rolle, vor allem in Asien. Gegenwärtig steigt aber die Nachfrage nach Brennstoff besonders an. Aus Mikroalgen kann Rohöl gewonnen werden, das dem fossilen chemisch gleich ist und in gängigen Raffinerien und Motoren verwendet werden kann.
Die Algen benötigen Sonnenlicht, Kohlendioxid, Wasser und einige Nährsalze zum Wachsen. Dies ermöglicht die Etablierung nachhaltiger Kreisläufe, zum Beispiel durch die Nutzung industrieller CO²-Ausstösse und nährstoffreicher Abwässer in der Nähe einer Algenplantage. Mikroalgen sind effektiver als Landpflanzen und benötigen keine wertvollen Ackerflächen. Für Schweden von Vorteil: Das moderate Klima reduziert den Kühlungsaufwand – bei einer Überhitzung der Röhren können die Algen nämlich sterben.
In der sommerlichen Wachstumssaison gibt es viele Sonnenstunden, es gibt sehr viel Wasser, die erforderlichen industriellen CO²-, Nährstoff- und Wärmeabfälle, eine hoch entwickelte Prozessindustrie und ein positives Umfeld für neue grüne Technologien. Vor allem aber sieht Gründerin Gullfot den Standortvorteil in der schwedischen Erfahrung mit großen industriellen Prozessen und systematischer Energieerzeugung. „Wenn wir die Algenzucht mit diesen Erfahrungen kombinieren, können wir eine richtig schlagkräftige schwedische Algenindustrie entwickeln“, so Gullfot in der Zeitschrift Energievärlden.
Auch der Forscher Francesco Gentili, der an der Swedish University of Agriculture Sciences in Umea arbeitet, war begeistert vom Potential der Mikroalgen. Seit 2007 erforscht er die Zucht mit Kläranlagenabwasser in Kombination mit Abgasen einer Kraftwärmeanlage. Dabei hat er ein Filtersystem entwickelt, das das energienintensive Zentrifugieren erspart, um die Biomasse vom Wasser zu trennen. Gerade hat das Projekt weitere 750.000 € Fördermittel für den Ausbau neuer Bassins erhalten. Doch Gentili wünscht sich deutlich größere Anlagen und sieht die Bioraffinerietradition im Nordland als gute Basis für den Ausbau der Algenzucht. „Die Welt braucht Lösungen wie diese“, meint er.
Ein anderes Forschungsprojekt unter Beteiligung der Universität Karlstadt und der Papierfabrik Nordic Paper im värmländischen Bäckhammar untersucht die Möglichkeiten der Algenzucht, in Kombination mit Restprodukten der Papierindustrie Biobrennstoffe herzustellen. Bei der Papierherstellung fallen große Mengen an warmem, nährsalzhaltigem Wasser und kohlendioxidhaltige Abgase an. Die Hoffnung des Projektes: Vielleicht lassen sich diese ungenutzten Ressourcen mit der Produktion von Algenbrennstoffen gewinnbringend nutzen, zugleich fossile Brennstoffe sparen und der CO²-Ausstoss verringern.
Ob eine solche Quadratur des Kreises gelingt, ist noch offen – ein Beispiel für die faszinierenden Perspektiven der Umwelttechnik sind die schwedischen Algenprojekte aber schon jetzt.
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Info
Mikroalgen sind aufgrund ihrer wertvollen Inhaltsstoffe ein Hoffnungsträger unter den nachwachsenden Rohstoffen. Sie enthalten große Mengen an wertvollen Proteinen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Ölen, natürlichen Carotinoiden und Vitaminen. Dies macht sie zu interessanten Rohstoffen für die Nahrungsmittelindustrie, für Kosmetik, Pharmazie, Chemie und die Bioenergiebranche.
Es gibt jedoch noch viele grundsätzliche Fragen zu klären. Die Algenforschung steht derzeit noch am Anfang. Nur ein Bruchteil der insgesamt etwa 40.000 bis 60.000 Mikroalgen- und 2.000 Cyanobakterienarten wurde bisher wissenschaftlich untersucht. Die chemische Zusammensetzung weniger hundert Arten ist bekannt. Gerade einmal 15 Stämme werden derzeit kommerziell genutzt. Die Genome einer Handvoll Algen sind vollständig sequenziert und geben Einblicke in die molekularen Zusammenhänge. Für die Wissenschaft gibt es somit noch viel zu entdecken.
So vermutet man, dass Algen noch völlig unbekannte Inhaltsstoffe produzieren, aus denen ganz neue Produktlinien jenseits der etablierten Synthesechemie entwickelt werden könnten. So werden Mikroalgen zum Beispiel nach neuartigen Wirkstoffen für die Pharmaindustrie durchsucht.
Mikroalgen kann man in geschlossenen Systemen aus Glas oder Kunststoff oder in offenen Bassins züchten. Zum Wachsen benötigen die Algen CO² und nährstoffhaltiges Wasser. Daher forscht man in Schweden wie in Deutschland an der Entwicklung von kombinierten Kreisläufen, bei denen die Algenzuchtbecken oder Reaktoren mit Industrieabgasen (CO²) und Abwasser durchmischt werden. Ein Problem ist derzeit noch der relativ hohe Herstellungsaufwand. Bisher benötigt die Algenzucht und deren Verarbeitung mehr Energie als beispielsweise aus der Algenbiomasse an Algen-Biodiesel oder Biogas gewonnen werden kann.
Vattenfall erweitert Mikroalgenanlage in Brandenburg
Seit Juli 2010 erproben Vattenfall und ihre Tochtergesellschaft GMB GmbH den Einsatz von Mikroalgen bei der Umwandlung von CO2 in Biomasse im Rahmen eines vom Land Brandenburg und der Europäischen Union geförderten Forschungsprojektes. Jetzt ist die erste Versuchsanlage um eine deutlich größer dimensionierte Algenzuchtanlage erweitert worden.
Der innovative Charakter des Algenprojektes am Senftenberger Heizkraftwerk besteht darin, dass CO2 aus dem Rauchgasstrom bei der Braun¬kohle¬staubverbrennung für das Algenwachstum genutzt wird. Der Algenreaktortyp „Hängende Gärten“ wird hier erstmals außerhalb des Laborbetriebs praxisnah unter realen Bedingungen eingesetzt. Die Algenaufzuchtanlage in Senftenberg dient der Erforschung der Frage, ob Mikroalgen Braunkohlenrauchgas vertragen und durch die Aufnahme des Kohlendioxids einen Beitrag zur Reduzierung der CO2 -Emission von Braunkohlenkraftwerken leisten können.
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