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Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft: Wer dreht an welchen Schrauben?


Von Olivia Malmström

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, denken wir oft an Emissionen, fossile Brennstoffe, schmelzende Gletscher, verschmutztes Wasser und Überproduktion. Wir wissen, dass wir weniger Fleisch essen und auf Autofahrten und Flüge verzichten, dafür aber mehr recyclen und Energie sparen sollen. Aber welche Stellschrauben wären eigentlich in der Wirtschaft zu verstellen – und welche wären besonders effektiv? Mit dieser Frage werfen wir heute einen Blick auf die Bauwirtschaft.

Beim Bauen geht es vor allem um Rohstoffe und Energie. Direkt und indirekt wird sehr viel Energie benötigt, die oft aus fossilen Brennstoffen stammt und für große Mengen Kohlendioxidemissionen steht. Da die Nachfrage nach Neubauten steigt, gewinnen Ideen und Maßnahmen rund um das Thema „nachhaltiges Bauen“ immer mehr Bedeutung.


Die Umweltsünder am Bau: Zement, Stahl, Entsorgung und Transport

Einige Bereiche der Bauindustrie haben besonders massive Auswirkungen auf die Umwelt. Darunter fallen die Baustoffe Beton und Zement, aber auch Stahl, ebenso wie der Transport und der Umgang mit Abfällen.

Beton und Zement: Lösungen für einen klimatischen Problembaustoff

Eines der größten Umweltprobleme in der Bauwirtschaft stellt das Bindemittel Zement als Grundlage für den Universalbaustoff Beton dar. Bei der Herstellung von Zement verwendet man Kalkstein und Ton, die zu Rohmehl gemahlen, dann auf etwa 1.450 Grad erhitzt und nach dem Abkühlen zu Zement gemahlen werden. Die Zementindustrie gehört zu den Hauptverursachern von Treibhausgasen und trägt somit zur Erderwärmung bei. Anhand der weltweiten jährlichen Produktion ergibt sich allein durch das Freisetzen des im Kalk gebundenen Kohlenstoffdioxids ein Ausstoß von mindestens drei Milliarden Tonnen CO2 und damit etwa sechs bis acht Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes. Wäre die globale Zementindustrie ein Land, so wäre sie der drittgrößte Emittent weltweit – nach der Volksrepublik China und den Vereinigten Staaten.


Innovationen sind also dringend erforderlich. Manche von ihnen setzen beispielsweise auf alternative Herstellungsverfahren von Zement, die mit wesentlich geringeren Temperaturen auskommen (celitement.de), oder sie legen ihr Augenmerk auf die sogenannte CCS-Technik, also die CO2-Abscheidung und Speicherung. Ein weiterer Ansatz ist das Ersetzen eines Teils des Zements durch alternative (Abfall-)Produkte im Beton, um so die CO2-Bilanz des Baustoffs zu verbessern.

Aber auch beim Bau selbst gibt es Luft nach oben, indem etwa Beton bewusster und intelligenter eingesetzt wird. Spätestens hier ergibt sich also auch für Bauträger die Möglichkeit, ihren Beitrag für eine bessere Klimabilanz zu leisten.

Dieser Herausforderung stellt sich der schwedische Betonhersteller Cementa und verfolgt seine Vision von null Emissionen während eines Lebenszyklus von Betonprodukten. Die Verfolgung dieses Ziels erfolgt in fünf Kernbereichen: Energieeffizienz, Ersetzen von fossilen Rohbrennstoffen durch Erhöhung des Anteils biobasierter Brennstoffe, Entwicklung neuer Zemente mit geringerem klimatischem Fußabdruck, Erforschung einer erhöhten Kohlendioxidaufnahme von vorhandenen Betonstrukturen, sowie Kohlendioxid-Abspaltung mit anschließender Wiederverwendung oder Einlagerung.


Diese Ambitionen spiegeln sich in dem von Cementa und Kammerfördermitglied Vattenfall initiierten Projekt CemZero wider. Gemeinsam sollen in diesem Rahmen Bedingungen für die Herstellung von elektrifiziertem Zement geprüft werden. Eine spannende Kooperation!

Auch der schwedische Dachsteinhersteller Benders ist sich der Zementproblematik bewusst und bezieht diesen zentralen Rohstoff daher von Herstellern, die eine nachhaltige Herstellung vorantreiben; in Schweden ist das Cementa, in Deutschland CEMEX. Mats Jakobsson, Geschäftsführer von Benders Sverige AB, erklärt: „Die Hauptmaterialien bei der Herstellung unserer Dachsteine sind Ballast (eine Mischung aus Kies und Schotter), Zement und Wasser. Wir reduzieren den Anteil von Kies, der in der Natur als natürlicher Wasserfilter funktioniert, und ersetzen ihn durch recycelten Schotter.“ Wasser werde im Produktionsprozess mehrfach wiederverwendet. Des Weiteren optimiere Benders seinen Transport und nutze bei längeren Transportwegen den Schienenverkehr, erläutert Jakobsson und ergänzt: „Heute investiert Benders viel Energie in die Entwicklung von Befestigungsmethoden für Solarmodule, einem wachsenden Markt in Schweden.“


Stahl: die Branche setzt auf Wasserstoff

Auch Stahl ist aus der Bauwirtschaft kaum wegzudenken und kommt darüber hinaus in vielen Produkten, vom Auto bis zum Smartphone, vor. Die Schweden verbrauchen im Durchschnitt circa 400 Kilogramm jährlich pro Person. Der Ausstoß von Kohlendioxid der Stahlindustrie verantwortet sieben Prozent der weltweiten Emissionen, also ungefähr so viel wie Zement.


Bei der Stahlherstellung spielt die Verbrennung von Kokskohle eine zentrale Rolle und auch in diesem Bereich gibt es handfeste Lösungsansätze, unter anderem die Technik „HYBRIT“ welche vom schwedische Unternehmen SSAB in Zusammenarbeit mit den Kammermitgliedern LKAB und Vattenfall entwickelt wurde. Sie basiert im Wesentlichen auf dem Einsatz von Wasserstoff. 2016 startete das Projekt mit einer Pilotanlage und dem Ziel einer nahezu CO2-freien Stahlproduktion und der damit verbundenen Reduzierung der gesamten CO2 -Emissionen in Schweden um zehn Prozent. Auch ThyssenKrupp in Deutschland setzt auf eine ähnliche Technologie.


Entsorgung: den ganzen Produkt- Lebenszyklus in den Blick nehmen

Hätten Sie vermutet, dass 2018 mehr als ein Drittel aller Abfälle und mehr als ein Fünftel aller Gefahrenabfälle in Schweden durch die Bauindustrie verursacht wurden? Dazu gehören Beton, Glas und Ziegel ebenso wie giftige Materialien, die bei Abbrucharbeiten anfallen. Aber auch ausgemusterte Maschinen, Werkzeuge und Verpackungsmaterialien sind Teil der Abfallmenge.


Dass das Sortieren der verschiedenen Materialen, auf welches man sich bisher konzentriert hat, nicht ausreichend ist, wird immer deutlicher. Umso wichtiger erscheinen nun die Reduzierung der Abfallmenge insgesamt und das Anstreben eines zirkulären Baugewerbes. Damit geht einher, dass schon bei der Planung von Bauprojekten spätere Renovierungen und auch die Wiederverwertung aller Wertstoffe nach dem „Lebensende“ eines Gebäudes berücksichtigt werden müssen. Maßnahmen wie beispielsweise dokumentierte Materialinventuren und die Überprüfung der Trennbarkeit von Baumaterialien, um problemloses Recyclen zu ermöglichen, gewinnen an Bedeutung.

Es wird deutlich, dass alle beteiligten Akteure in der Bauwirtschaft hier Verantwortung tragen und alle Schritte und Produkte hinterfragt und neue gedacht werden müssen.

Nehmen wir das Beispiel Aufzüge. In vielen Altbauten gibt es Aufzüge, die in die Jahre gekommen sind. In den meisten Fällen wird der komplette Aufzug gegen einen neuen ausgetauscht – obwohl vielleicht nur der Antrieb modernisiert werden müsste. Nicht selten sind die alten Rahmenbauten sogar viel wertiger gebaut als moderne Lösungen. Schwedische Unternehmen wie Hydroware oder das Kammermitglied Hissmekano unterstützen diesen nachhaltigen Ansatz, und setzen auf Renovierungen, um wertvolle Altsubstanzen zu erhalten.


Transport: mit mehr Köpfchen von A nach B

Eine der größten Herausforderung für Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft ist schließlich der Transport. Ein Fünftel der Emissionen in der Bauwirtschaft kann auf den Transport von Materialien zu den jeweiligen Baustellen zurückgeführt werden. Hier gibt es Verbesserungspotential durch effizientere Planung, die Kombination von Schiene und Rad und umweltfreundlichere Brennstoffe wie Wasserstoff. So nutzt der Industriekonzern Atlas Copco, ebenfalls Mitglied der Schwedischen Handelskammer und Lieferant einer Vielzahl von Spezialmaschinen und Technologien innerhalb der Bauindustrie, für seine Transporte zwischen Deutschland und China nicht mehr die umweltbelastende Luftfracht, sondern setzt vielmehr auf Zugtransporte. Die direkte Bahnlinie zwischen Duisburg und Shenzen macht es möglich.


ISO 14001 kann beim Wandel helfen

Die meisten Akteure in der Bauwirtschaft dürften wohl erkannt haben, dass jedes einzelne Unternehmen gefordert ist, nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Eine systematische Vorgehensweise kann hier hilfreich sein – wie beispielsweise die ISO 14001-Zertifizierung. Hierbei handelt es sich gewissermaßen um einen erprobten Leitfaden, der die Prozesse innerhalb eines Unternehmens auf ihre Belastung der Umwelt und ihre Effizient überprüft. Grundlage der Zertifizierung sind 55 Anforderungen, die je nach Unternehmen bzw. Branche unterschiedliche Anwendung finden. Einige Mitglieder der Kammer aus dem Baubereich sind bereits ISO 140001 zertifiziert, z.B. Hissmekano, Swecon und Balco, aber auch BUFAB, ein Hersteller von C-Teilen, also

Verbindungselementen für die Industrie. Geschäftsführer Florian Lüders berichtet: „Die Unternehmensstrategie der BUFAB Group trägt den Namen Sustainable Leadership. Das unterstreichen und verfolgen wir seit vielen Jahren bei der BUFAB Germany GmbH mit der ISO 14001-Zertifizierung“. Dies sei ein langfristiger Prozess: „Wir beschäftigen uns dauerhaft mit dem Thema Nachhaltigkeit, aktuell insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Kraftstoffverbrauches. Im Zuge dessen wurden bereits 40 % unserer Firmenwagen auf Hybrid-Modelle umgestellt, inkl. unseres Firmentransporters. Hierfür stehen drei Wallboxes zum Laden für die Mitarbeiter zur Verfügung.“ Aktuell investiere das Unternehmen in die Umstellung der kompletten Beleuchtung auf sparsame LEDs. „Durch diese hohe Investition reduzieren wir jedoch langfristig die Energiekosten und senken unseren Strombedarf um mindestens 30 %.“


Blåkläder: Produktqualität schont das Klima

Ein weiteres Beispiel zeigt, wie viele Bereiche in der Bauwirtschaft ihren Beitrag in Sachen Nachhaltigkeit leisten können. Wer auf dem Bau arbeitet, braucht entsprechende Arbeitskleidung. Das Kammermitglied Blåkläder liefert sie – und achtet dabei von der Produktion bis zum Transport auf jedes Detail. Das Nachhaltigkeitskonzept des Familienunternehmens fußt auf stringenten Prozessen, konsequentem Lieferantenmanagement und Transparenz. Blåkläder fertigt 85 Prozent der Kleidungsstücke in sieben eigenen Fabriken, kennt alle Vorlieferanten und kann so die Einhaltung der OEKO-TEX® Norm für alle Inhaltsstoffe und Komponenten garantieren.

Als Mitglied der Better Cotton Initiative unterstützt Blåkläder Bauern bei nachhaltigerer Landwirtschaft und ermöglicht faire Preise. „Solarzellen liefern bei uns die Hälfte der Elektrizität. 60 % unserer Pappkartons werden wiederverwendet und unsere Transporte sind zu 100 Prozent befüllt“, berichtet Deutschlandchef Maik Friedrichs. Sein wichtigster Punkt aber sei die Qualität. „Kleidung, die länger hält, ist essenziell für eine belastbare Nachhaltigkeitsstrategie.“ Ein Beispiel: Nachdem der Baukonzern NCC zum Ausstatter Blåkläder wechselte, konnte der Verbrauch an Arbeitskleidung von vorher fünf Stück pro Mitarbeiter und Jahr auf 1,8 verringert werden – ein Beleg dafür, dass Qualität und lange Lebensdauer von Bekleidung den ökologischen Fußabdruck reduzieren. Dabei wird durch die nachhaltige Produktion, den durchdachten Transport und den bewussten Umgang mit Rohstoffen nicht nur das Klima geschont, sondern auch Kosten gespart.

Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft hat also viele Facetten. Von den ganz großen „Baustellen“ Zement, Stahl und Transport bis zu scheinbar kleineren Details wie der Arbeitskleidung sind Phantasie und Konsequenz gefragt, um in absehbarer Zeit die dringend erforderliche Klimaneutralität zu erreichen. Um es mit den Worten des berühmten „Baumeisters Bob“ zu sagen: Können wir das schaffen? Ja, wir schaffen das!

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