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Besserwisser im Fåtölj


Wenn die Einrichtung mit hyggelig beschrieben wird, zu der man bei einer Fika Kanelbullar angeboten bekommt und es zum Abendessen wieder Köttbullar gibt, verbringt man entweder einen Tag bei Ikea, oder man ist anderswo schwedisch-skandinavischen Begriffen begegnet, die plötzlich zum alltäglichen Wortschatz gehören. Tatsächlich werden immer mehr schwedische Lehnwörter ins Deutsche übertragen und im Alltag. Umgekehrt finden sich zahlreiche deutsche Wörter im Schwedischen; viele seit Jahrhunderten. Doch woher rührt die Wörterwanderung?



Die Hansezeit in Schweden


Der starke Einfluss Deutschlands während der Hansezeit ist einer der Faktoren, die zur Integra-tion deutschen Vokabulars ins Schwedische führten. In der Hansezeit kamen entscheidende wirtschaftliche, politische und kulturelle Impulse aus Deutschland nach Schweden. Die länderübergreifende Handels-vereinigung reformierte den schwedischen Handel, der in der Wikingerzeit noch aus Tauschgeschäften bestand. In der Mitte des 13. Jahrhunderts übernahmen deutsche Städte die Handelsvollmacht. Die Blütezeit der Hanse zog sich von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Durch die Hanse erhielt Schweden Zugang zum europäischen Markt. Die größten finanzielle Anteile gingen jedoch in deutsche Hände.



Jeder zweite ein Deutscher


Ab dem 12. Jahrhundert wanderten viele norddeutsche Kaufleute nach Schweden aus. Ihnen folgten in großer Anzahl deutsche Handwerker, Bergleute und Bauleute. Die Einwanderung aus Deutschland, vor allem aus Lübeck, war so groß, dass in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts etwa die Hälfte der Bürger einer durchschnittlichen schwedischen Stadt Deutsche waren. Bis ins 15. Jahrhundert bestand in der politischen und wirtschaftlichen Führungsschicht schwedischer Städte ein deutsches Übergewicht. Auf handwerklichem Gebiet brachten die Deutschen neue Methoden und Berufe nach Schweden. Wer so bedeutend war, beeinflusste natürlich auch die Sprache. Wie später das Französische schick wurde, war es zu dieser Zeit das Niederdeutsche das als modern und vornehm galt. In ganz Nordeuropa war deutsch auch noch nach der Hansezeit die lingua franca.


Durch die Handelsbeziehungen zwischen Schweden und Deutschland wurden zahlreiche Begriffe aus dem Hansedeutschen ins Schwedische aufgenommen. Viele Begriffe kommen auch direkt aus dem Handel und Handwerk: So ist der Geselle im schwedischen ein gesäll und die Werkstatt eine verkstad. Aber auch die Kulinarik nahm bereitwillig deutsche Begriffe auf: Das Schwedische kennt sowohl die typisch deutsche „Bratwurst“ als auch das von den Deutschen heißgeliebte „Schnitzel“. Neben Handwerksbegriffen und Kulinarischem hat es übrigens auch der „Besserwisser“ in den schwedischen Wortschatz geschafft.


„Nicht nur einzelne Wörter, sondern auch Mehrwortausdrücke fanden ihren Weg ins Schwedische“, konstatiert der Übersetzer Manfred Braun, der schwedische Texte ins

Deutsche überträgt. „Einige Ausdrücke zeugen noch von der wirtschaftlich-politischen Dominanz der Deutschen: ‚Von oben‘ gehört zum schwedischen Vokabular. Der Schwede kennt sogar eine ‚von oben-attityd‘ und eine ‚von oben-perspektiv‘.“ Diese Wanderbewegung setzt sich bis in die jüngste Vergangenheit fort. Der schwedische ‚snälltåg‘ kann seine Verwandtschaft mit dem deutschen Schnellzug kaum verhehlen, aber kurioserweise bedeutet ‚snäll‘ im Schwedischen keineswegs ‚schnell‘, sondern ‚freundlich, höflich‘. Der deutsche Enthüllungsjournalist Günter Wallraff wiederum hat mit seinem Buch ‚Ganz unten‘ offensichtlich solch einen Eindruck auf die Schweden gemacht, dass sie seine Methoden mit dem Verb ‚wallraffa‘ bezeichnen: investigativer Journalismus unter dem Deckmantel einer falschen Identität.“


Der Spracheinfluss korreliert dabei meist mit der Stärke des wirtschaftlichen und kulturellen Austausches. So fanden im 18. und 19. Jahrhundert viele französische Worte Eingang in die schwedische Sprache. Deren schwedische Schreibweise bringt viele Deutsche zum Schmunzeln, da man stärker als im Deutschen die Aussprache wiedergab: Aus dem Fauteuil wurde hier der fåtölj (Sessel), das Trottoir ist im schwedischen trottoar, die Toilette eine toalett, der Point ein poäng – und das Gratin wurde zum grätang im restaurang. Als englische und amerikanische Einflüsse dominanter wurden, begannen Schweden, es kul zu finden, ihr Mittagessen nun lunch zu nennen.



Ikea als Sprachvermittler


Auch lange Zeit nach der Hanse trägt die Wirtschaft zum Sprachaustausch bei. Zu einem äußerst einflussreichen Sprachbotschafter des 20. Jahrhunderts für die schwedische Lebensart und Sprache wurde denn auch das wirtschaftlich sehr erfolgreiche Unternehmen Ikea. Das Möbelhaus vermarktete von Beginn an nicht nur schwedische Möbel, sondern auch das Land Schweden. Die Kunden werden heute sogar geduzt und mit einem Hej! begrüßt. Die Produkte tragen alle schwedische Namen, vom Regalsystem Trofast (Treue) bis zum Spiegel Barnslig (kindisch)). Die berühmten Köttbullar, die für viele zu einem Ikea Besuch dazugehören, kennt mittlerweile jeder. Sie werden auch außerhalb des schwedischen Möbelhauses oft schon gar nicht mehr übersetzt, sondern als Lehnwort verwendet.


Sprache stagniert nie, sondern ist immer in Bewegung. Spätestens seitdem andere Länder leichter bereist werden können und immer mehr Ein- und Auswanderung stattfindet, kommen verschiedenste Sprachen zusammen, wodurch neue Lehnwörter entstehen und der Austausch zwischen den Sprachen stärker wird. Viel Gesprächsstoff auch in Zukunft - für lärlingar, streber und besserwisser!

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